Gegen eine Wüste kämpfen

Oder: Wie man aus Nest-Fertigkeiten, dem Fate-Fraktal und der Wushu-Philosophie spannende Herausforderungen gestaltet

Moin Moin! Heu­te nacht, so kurz vor dem Ein­schla­fen habe ich mir die Fra­ge gestellt, war­um es eigent­lich lang­wei­lig ist, wenn ich mei­ne SC unun­ter­bro­chen Ath­le­tik- oder Über­le­ben-Pro­ben wür­feln las­se, im Kampf aber nie­mand was dage­gen hat. Dann dach­te ich an Wus­hu und an das Fate-Frak­tal und auf ein­mal fiel es mir wie Schup­pen aus den Haa­ren: Man kann gegen eine Wüs­te kämp­fen!

Im Fate-Core-Regel­werk steht auf Sei­te 216: »Nicht jeder Teil­neh­mer eines Kon­flikts muss ein SC oder NSC sein.« Und wei­ter: »Du kannst alles wie einen Cha­rak­ter behan­deln.« Letz­te­res ist das soge­nann­te »Fate-Frak­tal«, was besagt, dass man zum Bei­spiel Sicher­heits­sys­te­me mit Aspek­ten, Stunts und Fer­tig­kei­ten aus­stat­ten und dann gegen SC »kämp­fen« las­sen kann. Statt einer Über­win­den-Akti­on nut­zen sie »Ein­bruch« eben als Angriff. Ich moch­te die­se Regel schon immer, aber mir ist nie in vol­ler Klar­heit auf­ge­gan­gen, was das eigent­lich bewirkt (und der Fate-Redak­ti­on sicher­lich der­zeit auch nicht, sonst hät­ten sie dem sicher­lich ein gan­zes Kapi­tel gewid­met!)

Zum Beispiel: Reisen

Rei­sen haben mich schon immer gestört. Letzt­end­lich waren es doch immer Pro­ben, Beschrei­bun­gen und Zufalls­be­geg­nun­gen, also nichts wirk­lich Span­nen­des, nichts, was die Hand­lung vor­an­treibt. Nimmt man das Fate-Frak­tal aber ernst, dann könn­te man ein­fach das Rei­sen als Kon­flikt (= Kampf) betrach­ten und die Land­schaft als Geg­ner. Frei nach den schö­nen Nest-Fer­tig­kei­ten hät­te sie dann zum Bei­spiel:

+5 Lebens­feind­li­che Umge­bung
+4 End­lo­se Wei­ten, Nat­tern und Skor­pio­ne

Dazu zwei Stress­käst­chen und zwei Kon­se­quen­zen. Die Fer­tig­kei­ten kön­nen auch gleich noch als Aspek­te durch­ge­hen, ergo gereizt und genutzt wer­den.

Das wür­de dann zu einem fei­nen, run­den­ba­sier­ten Kampf füh­ren, bei dem die Spie­ler ver­su­chen, mit­tels Über­le­ben, Ath­le­tik, Gelehr­sam­keit, Kämp­fen usw. die Wüs­te zu »besie­gen« und ihr Kon­se­quen­zen, z.B. in Form von Oasen, gestor­be­nen Wan­de­rern, ers­ten dür­ren Grä­ser usw. »zuzu­fü­gen« und die­se dann wei­ter zu nut­zen. Ihr seht: Alles sehr meta­pho­risch. Im Gegen­zug wür­de die Wüs­te ver­su­chen, den SC mit­tels ihrer Hit­ze und der ande­ren fie­sen Din­ge, die ihr zur Ver­fü­gung ste­hen, Scha­den zuzu­fü­gen.

Weniger Aufwand, bessere Erzählung

Die Kon­se­quenz die­ser Idee wäre eine wesent­lich bes­se­re Erzäh­lung bei gleich­zei­tig gerin­ge­rem Auf­wand für den SL und grö­ße­rer Spie­ler­be­tei­li­gung. Denn: Es gibt ein kla­res Ziel und daher kön­nen die Spie­ler nicht viel an der Sto­ry kaputt­ma­chen. Gleich­zei­tig kön­nen sie ihre Fer­tig­kei­ten krea­tiv nut­zen und sind nicht nur auf Kämp­fen, Kämp­fen und Kämp­fen ange­wie­sen. Die Spie­ler müs­sen nun außer­dem aktiv die Sze­ne gestal­ten, was ers­tens in die­sem Rah­men nicht beson­ders schwer ist und zwei­tens dem Spiel­lei­ter viel Arbeit abnimmt. Dafür ist es natür­lich wich­tig, dass der Kampf zu einer Erzäh­lung wird, also nicht nur Fer­tig­kei­ten gewür­felt wer­den, son­dern auch erzählt, erfun­den, Situa­ti­ons­as­pek­te genutzt, Vor­tei­le erschaf­fen usw. 

Für die­ses Her­an­ge­hen habe ich mich ein wenig an Wus­hu ori­en­tiert, das tat­säch­lich das gesam­te Rol­len­spiel in sol­che Kon­flik­te unter­teilt und auf nor­ma­le Pro­ben kom­plett ver­zich­tet. Ich habe eine gan­ze Wei­le gebraucht, um zu begrei­fen, wie ich Kon­flik­te gestal­ten muss, um nicht nur Kämp­fe und Ver­fol­gungs­jag­den damit abzu­bil­den. Die Kunst ist näm­lich, immer eini­ge Ereig­nis­se in der Hin­ter­hand zu behal­ten und SC damit zu kon­fron­tie­ren, falls der Kon­flikt noch nicht been­det ist. Und gleich­zei­tig muss natür­lich auch der Ein­satz ent­spre­chend hoch sein. In der Wüs­te ist der Ein­satz das Leben. Aber bei der Recher­che in einer Biblio­thek?

Die Bibliothek!

+4 Wirr und ver­win­kelt
+3 Schweig­sa­mes und mys­te­riö­ses Per­so­nal, Die Bücher wis­pern dir Din­ge zu…

Das Ziel: Das Eine Buch fin­den

Der Preis: Ver­rückt zu wer­den

Die Mit­tel: Nach­for­schen, Auf­merk­sam­keit, Gelehr­sam­keit, Cha­ris­ma

Wo es schwierig wird

Die­ses Kon­zept ist schö­ner­wei­se für einen sehr gro­ßen Bereich ein­setz­bar, nament­lich für Rei­sen (Wald, Meer, Wüs­te, Ber­ge usw.), Ein­brü­che, Nach­for­schun­gen, Repa­ra­tu­ren und wer weiß was alles noch. Aber es besteht natür­lich trotz­dem die Gefahr, dass es nicht jedem gefällt oder ein­fach zu viel Metaga­ming ist, zu viel Das-Hirn-Ver­ren­ken, wel­che Fer­tig­keit man jetzt als Para­de benutzt und wel­che als Angriff. Die Metho­de ist auch nicht ange­mes­sen, wenn man wirk­lich einen lan­gen Fokus auf Rei­sen haben möch­te, zum Bei­spiel wenn man Aus­rüs­tungs­lis­ten füh­ren will (etwas, das ich sogar bei Fate unter gewis­sen Umstän­den sehr emp­feh­len kann!) oder wenn das Hin­der­nis so klein ist, dass eine ein­zel­ne Über­win­den-Pro­be genügt. Es ver­langt auf jeden Fall viel Spon­ta­nei­tät und Impro­vi­sa­ti­ons­kunst von allen Betei­lig­ten, aber wenn Du sowie­so ein sol­cher Spie­ler bist, dann wirst Du  viel Spaß haben.

Ein wei­te­rer Punkt betrifft die Fer­tig­kei­ten, die ange­wandt wer­den. Es ist sicher­lich etwas gewöh­nungs­be­dürf­tig, dass ich eine Wüs­te auch mit der Fer­tig­keit »Kämp­fen« durch­que­ren kann, ein­fach indem ich alle »Nat­tern und Skor­pio­ne« zer­haue. Aber wenn man bedenkt, dass jeder Spie­ler sich einem ande­ren Aspekt zuwen­den kann, der ihm liegt, dann wird die Erzäh­lung auf jeden Fall befrie­di­gen­der, als wenn nur ein SC die Über­le­ben-Wür­fe schafft. In jedem Fall soll­te sich der SL vor­her über­le­gen, wel­che Fer­tig­kei­ten sich als Angriffs­fer­tig­kei­ten eig­nen und wie die­se zu kon­tern sind. Und unter Umstän­den (und das ist jetzt ein sehr unkon­ven­tio­nel­ler Vor­schlag) könn­te man auch auf Angriffs- und Ver­tei­di­gungs­wür­fe ver­zich­ten und ein­fach nur gegen­ein­an­der wür­feln. Wer ver­liert, kriegt den Stress.

Was aber für mich immer noch ein offe­nes Pro­blem dar­stellt, das im Übri­gen auch für Ver­fol­gungs­jag­den und sozia­le / men­ta­le Kon­flik­te gilt, ist das Einer-gegen-alle-Manage­ment. Es ist klar, dass im Kampf ein SC einen NSC angreift und nur die­ser pariert und Scha­den bekommt. Wie aber regelt man das hier? Greift die Wüs­te immer die gan­ze Grup­pe an? Sind Wüs­te und Spie­ler immer abwech­selnd dran? Oder löst sich das gan­ze Pro­blem in Wohl­ge­fal­len auf, wenn man obi­gen gewag­ten Vor­schlag nutzt? Nur, an wel­cher Stel­le beschreibt der SL dann die per­fi­den Angrif­fe der Wüs­te? Für dies Pro­blem wür­de ich gern Dei­ne Mei­nung hören. Viel­leicht hast Du ja bes­se­re Ide­en.

Ich selbst habe das Prin­zip so noch nicht aus­pro­biert, aber berei­te mei­ne Aben­teu­er grund­sätz­lich so vor, dass ich ein­zel­ne Sze­nen nicht genau pla­ne und nur eine lan­ge Lis­te mög­li­cher Ereig­nis­se – je nach Spie­lerent­schei­dung – vor­be­rei­te. Für mich ist es daher kein Mehr­auf­wand und ich wer­de es sicher das nächs­te Mal aus­pro­bie­ren. Ich wün­sche Dir jeden­falls auch viel Spaß beim Pro­bie­ren und ich hof­fe, dass Dich der Gedan­ke auch so inspi­riert wie mich.

3 thoughts on “Gegen eine Wüste kämpfen”

  1. Ich mag die Idee mit dem Kon­flikt auf rei­sen, denn auch ich fand die bis­her erfah­re­ne Abhand­lung von Rei­sen regel­mä­ßig unbe­frie­di­gend.

    Ich habe das Kon­flikt­sys­tem mal ver­wen­det, als sich unse­re Run­de durch ein Laby­rinth arbei­ten muss­te und fest­ge­stellt, dass EIN Laby­rinth auf der einen Sei­te und ANZAHL X Hel­den auf der ande­ren Sei­te nicht rich­tig wirkt. So wür­de ich es auch bei Rei­sen machen, dass ent­we­der jeder Held »sei­nen eige­nen« Rei­se­geg­ner bezwin­gen muss oder die Run­de als Gan­zes agiert, z.B. nur einer jeweils pro Aus­tausch die Pro­be macht und die ande­re koope­rie­ren oder Vor­tei­le erschaf­fen kön­nen. Dann muss die Rei­se (das Gelän­de, die Gefah­ren, …) aber deut­lich höhe­re Wer­te als ein ein­zel­nes Mit­glied der Hel­den­grup­pe haben, damit es eine Her­aus­for­de­rung bleibt.

    1. Dan­ke für das Feed­back! Ja, ich habe es mitt­ler­wei­le auch zwei, drei Mal aus­pro­biert und dabei durch­misch­te Ergeb­nis­se erzielt. Ein­mal war es ein wenig *zu* meta, weil die SC eini­ge NSC durch ein gefähr­li­ches Gebiet eskor­tie­ren soll­ten und dabei nicht so rich­tig begrif­fen hat­ten, wie sie eigent­lich die­se Spiel­me­cha­nik anwen­den sol­len. Und eigent­lich soll­ten ja auch als Kon­se­quenz NSC beschä­digt wer­den, was mit Stress und Kon­se­quen­zen nicht so wirk­lich gut abzu­bil­den ist.

      Ich den­ke mitt­ler­wei­le, dass es tat­säch­lich am klügs­ten ist, wenn Geg­ner und SC ganz nor­mal nach­ein­an­der agie­ren, so dass jeder SC dem Geg­ner auf sei­ne Wei­se begeg­nen kann. Die Land­schaft greift dann ent­we­der alle an (Mit Käl­te, Dür­re, Dor­nen…) – und jeder SC muss auf sei­ne Wei­se ver­tei­di­gen (aus­hal­ten, aus­wei­chen, Res­sour­cen ein­set­zen…) – oder nor­mal nach­ein­an­der, wobei der Geg­ner dann tat­säch­lich eine erhöh­te Zähig­keit auf­wei­sen müss­te.

      Viel­leicht noch ein letz­ter Gedan­ke: Um das Zeit­pro­blem in den Griff zu krie­gen, kann ein Zeit­li­mit gesetzt wer­den: Wenn die SC nicht in drei Run­den das Meer über­que­ren, ent­führt der Geheim­dienst den Thron­fol­ger.

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