Das Problem mit geistigen Konflikten
Der neueste Beitrag von sprawldogs hat mich wieder darauf gebracht, dass ich dieses Thema mal noch in einem Artikel verarbeiten wollte. Es geht, kurz gesagt darum, dass die Mechanik für geistige Konflikte – zumindest in Fate – in meinen Augen nicht funktioniert. Und das liegt nicht an Fate, sondern einfach in der Sache selbst begründet. (Inhärent nennt man das in Gelehrtenkreisen)
Dass die geistigen nur etwa ein Dreißigstel aller Konflikte unserer Gruppe ausmachen, könnte man noch mit unserer Sozialisation als klassische Rollenspieler begründen. Dass uns aber, trotz intensiver Vorbereitung und allem drum und dran, bisher keiner dieser Konflikte wirklich Spaß gemacht hat, das ist einfach Mist und das liegt in meinen Augen daran, dass geistige Konflikte Gespräche/Streits/Diskussionen sind und diese sich nicht in Regeln fassen lassen.
Kämpfe und Diskussionen
Vielleicht ein Beispiel. Wir hatten einen NSC, der einige andere NSCs verraten hatte und dafür einem anderen die Schuld gab. Aufgabe der SC war nun also, mit allen zu sprechen und die Wahrheit ans Licht zu bringen und schließlich den Verräter zu identifizieren, anzuklagen und der Gerechtigkeit zuzuführen (oder so ähnlich). Regeltechnisch haben wir das sehr elegant mit freien Einsätzen auf geschaffenen Aspekten für herausgefundene Informationen gelöst. Die Tatsache, dass im Finale drei SC gegen einen NSC »kämpfen« würden, habe ich dann allerdings schon etwas ingenieursmäßiger mit Panzertape und WD40 gelöst: Gegner und ein Spielercharakter waren immer abwechselnd dran, Schaden hat nur der Charakter eingesteckt, dessen Aspekt relevant für die Szene war. Und was ist passiert? Die Kontrahenten waren ungefähr gleichstark und wie redlich sich die Spieler auch bemühten, zu argumentieren und zu schauspielern; nichts geschah. Das ganze Regelgerüst war künstlich und frustrierend. Nachher baten mich meine Spieler um Boni für gutes Rollenspiel.
Das Problem ist doch folgendes: In einem Kampf fallen einem zig Manöver ein. Die Regeln sind klar und wenn man mal nicht weiterkommt, dann arbeitet man eben zusammen, erschafft eine Handvoll Vorteile und zack! – Rübe ab. In einem geistigen Konflikt sieht das anders aus: Da sind die Argumente abgezählt. Es ist vielleicht nicht besonders kreativ, fünf Runden hintereinander mit dem Schwert zuzuschlagen, aber fünf Mal hintereinander »Haha!« zu rufen, das ist ein Unding. Selbst wenn man die Skalierung ändert (»Ich schaue ihn finster an!« – »Würfel mal Einschüchtern!«), bleibt das Problem bestehen: Wenn die Diskussion zuende ist, und in ihrer dramatischen Zuspitzung ihren Höhepunkt erfahren hat und beide Charaktere mit leeren Stresskästchen noch stehen, dann funktioniert der Mechanismus nicht. Na gut, vielleicht haben wir auch einfach nur taktisch schlecht gehandelt, aber das Problem bleibt: Wenn ich das Gespräch an die Würfelwürfe anpassen muss, dann stimmt etwas nicht.
Andere, klassischere Rollenspiele lösen das Problem, indem sie es nicht lösen. Dort heißt es dann meist: Soziale Konflikte werden ausgespielt. Gute Argumente geben Boni auf den Würfelwurf. Mich würde es ja mal interessieren, wie DSA 5 das gelöst hat und ob es da funktioniert.
Einfach nur drauf!
Der aufmerksame Fate-Spieler merkt: Ich verwende »mentale« und »soziale« Konflikte synonym. Ein Fehler? Vielleicht eine Verwirrung, weil im Fate-Regelwerk etwas von »geistigem« und »mentalen« Stress steht, es aber eigentlich um soziale Konflikte geht. Wie dem auch sei, als wir mit Erdfall anfingen, war ich irgendwie der Meinung, dass man Angst über diesen Stress und diese Konsequenzen abbilden könnte und das ist das zweite, was mir an dem ganzen Mechanismus ungereimt erscheint. Es funktioniert zwar sehr gut, Spieler an gruseligen Orten gemäß des Fate-Fraktals mit Wille gegen den Horror würfeln zu lassen, aber letztendlich ist es doch irgendwie auch nur das Äquivalent zu: Du kriegst 1W6+3 Schaden. Schade. Das nimmt den Spielern die Kontrolle über ihre Charaktere und das ist wirklich unhöflich. Also im Endeffekt auch keine gute Methode, mit geistigem Stress umzugehen.
Also ein vollkommen nutzloser Mechanismus? Nicht ganz. Meine Spieler lieben es, in Kämpfen mit ihren Erzfeinden zu diskutieren. Und da lässt sich tatsächlich immer mal wieder das ein oder andere Stresskästchen wenden und das ist besser als nichts. Im Moment haben wir sogar einen schönen Nemesis (auf den ich sogar ein klein wenig stolz bin), dessen Kampffertigkeiten mäßig sind, der aber unglaublich zynisch und sadistisch ist und jede Schwäche der SC ausnutzt, um ihnen geistigen Schaden zuzufügen. Das hat zu der skurrilen Situation geführt, dass der körperlich überlegene SC ihn zu Boden gerungen hatte und der Erzfeind ihn einfach nur auslachte, bis der SC weinend das Weite suchte. Und ich finde, solange es solche Situationen gibt, hat der mentale Konflikt immer noch seine Berechtigung.
Ganz zufrieden bin ich aber trotzdem nicht.
Dem muss ich jetzt allerdings widersprechen. Ich erinnere an den wirklich gelungenen Streit zwischen Andrey und seinem Bruder, bei dem wirklich krass die Fetzen geflogen sind, sich beide ziemlich fiese und über die Jahre angestaute Wut an den Kopf geworfen haben und der sogar zu Handgreiflichkeiten führte. Auch wenn sich am Ende beide im Matsch prügelten, habe ich den Streit immer als geistigen Konflikt gesehen.Reference
Huiuiui, du hast Recht! Wie konnte ich den nur vergessen? In der Tat war das einer der stärksten und fatigsten Rollenspielmomente meiner Rollenspielkarriere.
Vielleicht so viel: Ja, aber vielleicht war das auch nur Zufall und außerdem ist das Ganze, als ihr euch dann nichts mehr zu sagen hattet, doch in einen Kampf ausgeartet.
Aber du hast schon Recht. Das war großartig. +5 😉